Produktionsnotizen
Valeska Grisebach arbeitet anders als andere Regisseurinnen und Regisseure. Für Valeska beginnt alles mit einer Idee, einem Thema. In diesem Fall wollte sie einen modernen, zeitgenössischen Western machen. Sie wollte untersuchen, was passiert, wenn alltägliche Kommunikation sich in eine potentielle Waffe in einem Duell verwandelt. Valeska fängt immer mit einer langen Zeit der Recherche, des Castings, der geduldigen Suche, der Erkundung ihrer Orte und Charaktere an. Zu keinem Zeitpunkt gibt es ein klassisches Drehbuch: Sie arbeitet auf der Grundlage eines Treatments, mit einem ausgearbeiteten narrativen Gerüst und Figurengefüge, aber auch Leerstellen und offenen Räumen. Das stellt bei einer fiktiven Geschichte eine Herausforderung für die Entwicklung, die Vorbereitung und die Dreharbeiten dar – und natürlich auch für die Finanzierung des Films. Partner und Förderer ziehen es vor, ein verbindliches Drehbuch auf dem Tisch liegen zu sehen.
Die Filme von Valeska Grisebach zeichnen sich durch ihre Intensität und ihre entwaffnende Einfachheit aus – ihre Komplexität und Vielschichtigkeit liegen unter einer fast archaischen narrativen Struktur. Ihre Helden werfen uns auf unseren innersten Kern zurück, sie berühren etwas Grundlegendes. Valeska arbeitet immer mit nicht-professionellen Schauspielern. Die Bauarbeiter im Film sind auch im wirklichen Leben Bauarbeiter. Das ändert nichts an ihrer Arbeit im Film: Hier sind sie Schauspieler, jede Einstellung ist geplant, und jede Szene wird so lange wiederholt, bis Valeska mit dem Ergebnis zufrieden ist.
Das Casting für Western hat mehrere Jahre gedauert: Wir haben uns über 600 mögliche Darsteller angeschaut, bis wir unsere Schauspieler gefunden haben, allen voran die Hauptdarsteller Meinhard Neumann (der auch im Film Meinhard heißt) und Reinhardt Wetrek (Vincent). Die meisten sind Berliner, weitgehend aus dem früheren Ost-Berlin. Für viele war es das erste Mal, dass sie außerhalb Deutschlands verreist sind. Die bulgarischen Schauspieler und Schauspielerinnen haben wir alle in Petrelik und Umgebung gefunden, dem Dorf, in dem wir den Film gedreht haben.
Die Produktion von Western war völlig anders als alle anderen Filme, die wir gemacht haben und für die es immer ein Drehbuch gab, mit dem wir arbeiten konnten. Valeska bezieht mit ein, was sie am Drehort findet und entdeckt, das gibt ihrer Erzählung Form, Gestalt und Wahrhaftigkeit. Sie bleibt über die ganze Zeit aufmerksam und empfänglich für die Menschen, Gespräche und Geschichten um sie herum.
Wir haben Western im Süden Bulgariens gedreht, nahe der griechischen Grenze. Der Ort ist eine zusätzliche Hauptfigur im Film. Dort anzukommen, war zunächst ein Schritt ins Unbekannte, aber bald hatten wir das Gefühl, nach Hause zu kommen: Wir wurden mit Neugier, Großzügigkeit und Gastfreundschaft aufgenommen, was es uns ermöglichte, die Anforderungen und die nötige Infrastruktur einer Filmcrew mit den Ansprüchen und der Unterstützung des Dorfes zu verbinden.
Wir haben mit einem relativ kleinen Team gearbeitet und gedreht. Ein Western spielt draußen, im Freien; der Film hat nur zwei Innenszenen. Wir brauchten also Glück mit dem Wetter, und das hatten wir. Das Sonnenlicht war wunderbar hell und intensiv. Wir hatten 45 Drehtage, und jeder Tag war eine Herausforderung. Wir drehten chronologisch, um den Schauspielern die Möglichkeit zu geben, in ihre Rollen besser hineinzuwachsen.
Der grobe Drehplan ging von drei Phasen der Geschichte aus: Ankunft, Entdeckung und Duell. Im Detail bestimmte Valeska den Drehplan vor Ort. Wenn ein Drehtag besondere Anforderungen wie z.B. Stunts oder große Baumaschinen mit sich brachte, hatten wir die Vereinbarung, dass sie uns drei Tage vorher informieren würde. Für das Team und die Schauspieler bedeutete das eine besondere Herausforderung, da alle und alles ständig verfügbar sein mussten.
In dieser abgelegenen Region von Bulgarien, in der wir während des Drehs gelebt haben, hat man oft das Gefühl, man befinde sich am Rand der Zivilisation. Auch das ist ein klassisches Element des Western. Aber da ist auch diese Fülle an Möglichkeiten und Vorstellungen, diese Sehnsucht nach Ungebundenheit und Freiheit ... Da ist dieses Gefühl: „Ich bin mein eigener Held. Kann ich neu anfangen, kann ich ein neues Leben beginnen, hier, in diesem fremden Land?“ Dieses Gefühl ist ein wesentlicher Teil des Films.
(Jonas Dornbach, Janine Jackowski)